Liebe Studierende,
Das Jüdische Filmfestival Wien hat in diesem Jahr besondere Schwerpunkte betreffend Politik bzw. Geschichte. Es sind eine ganze Menge geschichtliche Filme zu jüdischem Leben in Österreich und in der ganzen Welt. So viele, dass wir sie hier gar nicht alle aufzählen können. Am besten, Ihr studiert unser Programm - unten findet Ihr nur einige, ausgesuchte Beispiele. Weiters gibt es diesmal Podiumsdiskussionen und Vorträge, bei denen wir uns besonders auf unser junges Publikum freuen, das aktiv Fragen stellt und mitdiskutiert.
Das gesamte Programm findet ihr hier: www.jfw.at. Tickets an der Abendkassa bzw. können diese direkt unter dem Link JFW-Tickets erworben werden; Ermäßigung für Studierende.
Wir freuen uns auf Euch.
Mit besten Grüßen und bleibt gesund.
Das JFW-Team
OSTATNI ETAP/ DIE LETZTE ETAPPE
Wanda Jakubowska, PL 1948 Österreichpremiere in der restaurierten Fassung
Spielfilm | 107 min | poln. OF mit eng. UT
Feature Film | 107 min | Pol. OV with Eng. sub
Einführungsvortrag durch Dr.in Monika Talarczyk, Filmwissenschaftlerin und Professorin an der Polish National Film School Łodz, Polen
Di 12.10. 20:15 – Metro Kinokulturhaus
Tickets: www.jfw.at und an der Abendkassa.
„Erlaubt nicht, dass Auschwitz sich wiederholt!“ So spricht die sterbende Marta am Schluss des Filmes, der aus mehrerlei Gründen eine Sensation darstellt: Nur zwei Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau drehte Wanda Jakubowska auf Basis ihrer eigenen Erlebnisse als Überlebende an den Originalschauplätzen des Horrors. Die Protagonist:innen ließ sie zum Teil von ehemaligen Häftlingen selbst darstellen und in deren Originalsprachen reden. All dies macht Ostatni Etap zu einem packenden Spielfilm, der aus erster Hand ein dokumentarisch-authentisches Bild der Alltagsgräuel im Massenvernichtungslager zeichnet und vom ersten bis zum letzten Moment tief berührt. - Im Krankenlager des KZs schließt sich die Jüdin Marta Weiss widerständigen Frauen an, die einander solidarisch helfen, warnen, verstecken und versuchen, bis zur Befreiung durch die Rote Armee zu überleben. OSTATNI ETAP ist eines der filmischen Hauptwerke über die Shoah, wurde 1948 uraufgeführt und erst vor kurzem aufwändig restauriert. - Ein Pflichttermin.
Only two years after the liberation of the Auschwitz concentration camp, Wanda Jakubowska returns to the very same places where she and so many others had been tortured and murdered. Ostatni Etap’s authenticity derived from its basis in Jakbowska’s own experiences, as well as the former prisoners who function as actors and speak in their original languages. The film’s story is grasping yet touching. Central to the story- line is the Jewish woman Marta Weiss who joins a resistance group of women who are put all their efforts in surviving until the Red Army will arrive and liberate them. Originally filmed in 1948, this film has recently been restored and therefore a must-see in this year’s program.
Podiumsdiskussion - KARL LUEGER – DENK_MAL_PFLEGE?
Mo, 11. Oktober 18:30 Uhr Village Cinemas Wien Mitte
Der Eintritt zur Publikumsdiskussion ist kostenlos.
Karl Lueger, der von 1897 bis 1910 als Wiener Bürgermeister wirkte, genoss zu Lebzeiten große Bewunderung. In der Gegenwart ist er vor allem
als Vorreiter des politischen Antisemitismus bekannt, mit welchem er Adolf Hitler ein Vorbild war.
Obwohl Lueger wegen seiner Politik des Judenhasses in der Gegenwart diskre- ditiert ist, finden sich bis in das 21. Jahrhundert hinein monumentale Ehrungen
im Wiener Stadtbild, welche nun sukzessive geändert werden. Die Karl-Lueger Gedächtniskirche wurde im Jahr 2000 umbenannt, der Karl-Lueger Ring 2013. Doch im Herzen der Stadt, auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz direkt an der Ringstraße, thront noch immer ein eherner Bronzekoloss auf einem Steinsockel – das Lueger- denkmal, geschaffen vom deutschnationalen Künstler Josef Müllner, der 1940 etwa die „Hitlerbüste“ für die Universität Wien herstellte.
Im Jahr 2020 ist die Debatte um das Denkmal wieder laut geworden. Zahlreiche Stimmen aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft fordern die Um- oder Weggestal- tung desselben. Bei den Protesten (genannt „Schandwachen“) wurde das Denkmal vielfach mit dem Wort „SCHANDE“ besprüht, mehrere Kommissionen und Runde Tische arbeiten bereits an Vorschlägen für die Um- oder Weggestaltung des Denk- mals sowie für die Umbenennung des Platzes.
Im Rahmen der Paneldiskussion „Denk_Mal_Pflege“ wird die langandauernde Geschichte der Lueger-Statue im Kontext der österreichischen Geschichtspolitik thematisiert und die Möglichkeit der Umgestaltung als Chance für einen besseren Umgang mit der antisemitischen Vergangenheit diskutiert: Könnte aus dem Denk- mal ein Mahnmal, ein kritisches Erinnerungszeichen werden?
In Kooperation mit dem Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen.
Vortrag Dr. Hannes Leidinger - Teil der Volkskultur?
Zur Entwicklung des Antisemitismus in Österreich von der späten Donaumonarchie bis zur Gegenwart
Di 5.10. 18:30 Village Cinemas
Tickets: € 6,00 online oder an der Abendkassa, Erm. für Student:innen € 3,00
Jede historische Untersuchung muss davon aus- gehen, dass die österreichische „Volkskultur“ antijüdisch gezeichnet ist: Dieser ernüchternde Befund der Zeitgeschichtsforschung galt von den
1980er Jahren an aufgrund der NS-Verbrechen und vor allem der Shoah sowie des fragwürdigen Umgangs der Zweiten Republik mit den „dunklen Jahren“ von 1938 bis 1945 beinahe uneingeschränkt.
Aber trifft er auf dem Weg in das dritte Jahrtausend und der Verstärkung anderer Feindbilder noch zu? Wie sind der „neue“ und der „ältere“ Antisemitismus vor dem Hintergrund einer grassierenden Islamophobie und eines instrumentalisier- baren „Clash of Civilizations“ zu bewerten? Und welche Ursprünge oder Radikali- sierungsprozesse müssen bei der Entwicklung religiöser, nationaler, sozialer und rassistischer Vorurteile beachtet werden?
Der Vortrag bietet einen Längsschnitt zur Geschichte des Antisemitismus in Österreich: Zu seinen Wurzeln und Entwicklungsstadien über die vermeint- lichen und tatsächlichen Zäsuren der Zeitgeschichte hinweg – von der späten Donaumonarchie bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit Hilfe ausgewählter „Aktualitäten“, Wochenschaubeiträge und Dokumentarfilme wird die Bedeutung der Thematik in unterschiedlichen Epochen, verschiedenen gesellschaftlichen Milieus und politischen Lagern beleuchtet.
Ein Vortrag mit nichtfiktionalen Filmausschnitten von Univ.-Doz. Mag. Dr. Hannes Leidinger, Historiker, Wien, Institut für Zeitgeschichte
DER SCHÖNSTE TAG
Fabian Eder, A 2020 Wien Preview
Anschließend: Q&A mit Fabian Eder und Mitgliedern des Filmteams
So 10.10. 18:30 – Metro Kinokulturhaus, Historischer Saal
Tickets: www.jfw.at und an der Abendkassa.
Fabian Eder lässt Zeitzeug:innen der Shoah sprechen. Dass dies nicht mehr lange möglich ist, wird schmerz- lich bewusst, wenn diese mehr und mehr von uns gehen, wie etwa Aba Lewit im letzten Jahr. Er erzählt hier eindringlich über seine Erlebnisse, die eigene Flucht und Deportation. Die direkten Dialoge zwischen Überle- benden und deren Nachkommen finden in Zugabteilen statt. Die Stimmung dort lässt viele Assoziationen zu, nur keinen Stillstand. Denn nach dem langen Schweigen nach dem Krieg ist die Weitergabe der Geschichte des Holocaust heute umso dringlicher: Die Arbeit gegen das Vergessen muss weitergehen, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Doch wie muss Erinnerungsarbeit aussehen? Parallel zu Einzelschicksalen behandelt der Film unter anderem die Ausstellung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, die vor einiger Zeit, auch mit Beteiligung des Nationalfonds, neu konzipiert wurde. Diese Fragestellung ist im Zeitalter von Fake News, Verschwörungstheorien und Geschichtsrevisionismus eine besondere Herausforderung. Umso wichti- ger ist dieses eindrucksvolle Zeitdokument.
The generation of contemporary witnesses who have provided us with personal accounts of the Shoah is a generation that will inevitably disappear in the future. Who will continue to share the stories, the accounts
of experiences, the horror and the truth when the people who have witnessed will no longer be among us? Fabian Eder tackles these questions by sharing conversations between contemporary witnesses and their descendants. These conversations take place in train compartments, not only referring to the medium of transportation during the Shoah, but also symbolising the continuity and motion of passing on memories from one generation to another. Especially during a time when conspiracy theories and fake news spread like wildfires, historical revisionism renders a challenge. An important historical account.
WIEN RETOUR (AT 1983)
Ruth Beckermann
Dokumentarfilm, 91 Min., dt. OV mit engl. UT
Anschließend Gespräch mit Ruth Beckermann.
Do 14.10. 19:00 – Universitätscampus Hof 2
Franz West (*1909 in Magdeburg) zieht 1924 mit seiner jüdischen Familie nach Wien Leopoldstadt –die sogenannte Mazzesinsel – in welcher er erstmals jüdisches Leben als Normalität und sich als Teil dieser erfährt. Als junger Mann verliert er das Interesse an seiner religiösen Identität und wird glühender Sozialist. Er engagiert sich während der Zwischenkriegszeit in der Arbeiter:innenbewegung des Roten Wien, erlebt den Aufstieg und die Verbrechen des Austrofaschismus, wird als Kommunist inhaftiert und flieht schließlich 1938 über die CSR und Frankreich nach Großbritannien.
Ruth Beckermann zeichnet in ihrem ersten Dokumentarfilm die biografischen Spuren ihres Protagonisten entlang der erzählten Erinnerung nach, geschickt visualisiert mit Archivmaterial aus dem Wien der 1920er- und 30er-Jahre, die Franz West als jüdischer Sozialist bezeugte.
In Kooperation mit den Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen
NACHBARN/ NEIGHBOURS
Mano Khalil – CH/F 2021 Österreichpremiere
Spielfilm | 124 min | kurd./arab./türk./Hebr. OF mit Engl./dt. UT
Feature Film | 124 min | Kurd./Arab./Turk./Hebr. OV with Engl./Ger. subtitles
Sa 9.10. 20:30 – Metro Kinokulturhaus – Q&A mit Mano Khalil
Do 14.10. 18:00 – Village Cinemas – Q&A mit Mano Khalil
Tickets: www.jfw.at und an der Abendkassa.
Bisher hatte der kleine Sero seine Kindheit im kurdischen Dorf im Norden Syriens als behütet und unbescha- det erfahren. Er liebt seine Eltern, blickt zu seinem rebellischen Onkel auf und liebt es, jeden Freitagabend die Kerzen und den Herd für die jüdischen Nachbar:innen anzuzünden. Neben seiner Familie liegt ihm vor allem Hannah, die Nachbarstochter am Herzen, die sich immer Zeit für ihn nimmt. Als im Zuge des arabi- schen Nationalismus ein neuer Lehrer ins Dorf kommt, der von nun an die Kinder zu syrischen Bürger:innen erziehen soll, ist Sero mit Unterricht in einer ihm völlig fremden Sprache und verwirrenden Ideologie kon- frontiert. Sero ist nun hin- und hergerissen zwischen der anti-jüdischen Propaganda, die ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichts ist, und den eigenen, positiven Erfahrungen, die er bisher mit seinen jüdischen Nachbar:innen gemacht hat. Durch die Augen eines aufgeweckten und aufmerksamen Kindes zeichnet Mano Khalil die Absurdität des Krieges und Nationalismus nach. Die Ernsthaftigkeit der Thematik wird durch eine Prise Satire und Situationskomik gelockert.
With a fine sense of humour and satire, the film tells of a childhood, which, between dictatorship and dark drama, also has its light moments. Central to the story is Sero, a young Kurdish boy in a village in the North of Syria. Following the newly established government, the educational system is reformed. An Arabic teacher, a proud Syrian nationalist, arrives in the remote village and demands Arabic as the only acceptable language in his classroom. He furthermore indoctrinates the young children with anti-Jewish propaganda. Sero, who has always enjoyed spending time with his neighbour Hannah, lighting the fire on their stove every Shabbat, is torn between what he has known all his life and the information he is now being fed.
NON ODIARE/ THOU SHALT NOT HATE
Mauro Mancini, I/P 2020 Österreichpremiere
Spielfilm | 95 min | ital. OF mit engl. UT
Feature Film | 95 min | Ital. OV with Engl. subtitles
So 10.10. 20:30 – Village Cinemas – Q&A mit Mauro Mancini
Fr 15.10. 18:45 – Village Cinemas
Tickets: www.jfw.at und an der Abendkassa.
Der anerkannte, jüdische Arzt Simone Serge wird Zeuge eines Autounfalls. Als er sich dem Schwerverletzten nähert, um erste Hilfe zu leisten, entdeckt er Nazi-Tattoos an dessen Körper. Hin- und hergerissen von seinen persönlichen Gefühlen und seinem Eid als Arzt, entscheidet er sich schließlich, den Neo-Nazi nicht zu retten und der Mann stirbt. Simone ist fortan von seinem schlechten Gewissen geplagt, und er sucht die Nähe zu den Hinterbliebenen, insbesondere Marica, der Tochter des Verstorbenen.
Das Verhältnis zwischen den Fronten ist komplex und bringt Menschen aus unterschiedlichen Welten in gefährliche Lebenslagen. Die Frage, ob es moralisch richtig ist, jemandem zu helfen, der ein schlechter Mensch ist, bietet eine illustrative Diskussionsvorlage zur Frage nach dem generellen Umgang mit Schuld und mit neuem Rechtsradikalismus. Sollen wir uns vom Hass leiten lassen oder die Begegnung suchen?
Simone is an established surgeon with a comfortable life, an elegant flat and no personal ties. The conflicts with his father, a prison camp survivor, are just a memory, now that his father has passed away. One day he witnesses a car accident and, as a doctor, approaches the car wreck to save the victim. When he discovers a Nazi tattoo on the heavily injured man’s chest, he hesitates, leaving the man to his fate. Immediately after, Simone, tormented by guilt, starts to investigate the dead man, and reaches out to his family in a working- class neighborhood. Thou Shalt Not Hate deals with the difficulties of defining, who is good or evil, as well as what is right or wrong, and our personal choice in how we treat people whose ideologies pose a threat to others.