Im Gedenken an Heinrich Schneider
Heinrich Schneider ist am Ostersonntag, 1. April 2018 im Alter von 88 Jahren verstorben. Die österreichische Politikwissenschaft hat ihm als Begründer des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien und langjähriger Professor sehr viel zu verdanken.
Nach der Etablierung der Studienrichtung Politikwissenschaft an den österreichischen Universitäten wurde das 1971 gegründete und von Heinrich Schneider geleitete „Institut für Theorie der Politik“ im Jahre 1977 in „Institut für Politikwissenschaft“ umbenannt. Bis 1981 war er der einzige Professor, bis 1986 war er auch Vorstand des Instituts, dazu Vorsitzender der Studienkommission für die Studienrichtung Politikwissenschaft und Präses der Diplomprüfungskommission. Die Ausweitung des Lehrprogramms wurde insbesondere durch externe LektorInnen erreicht. Von Beginn an war bei dieser Verbreiterung des politikwissenschaftlichen Lehrangebots das Prinzip der Interdisziplinarität wichtig, das in den 1970er Jahren in der österreichischen Sozialwissenschaft noch nicht sehr weit verbreitet war.
Bis zu seinem Rücktritt im Jahr 1991 war Heinrich Schneider insgesamt 23 Jahre an der Universität Wien als Ordinarius tätig.
Heinrich Schneider wurde am 10. August 1929 in Brandenburg/Havel geboren. Er studierte zunächst Philosophie, Theaterwissenschaft, Deutsche Literatur, Psychologie, dann Politikwissenschaft und Soziologie an den Universitäten Bamberg, München und Cleveland (Ohio). Im Jahr 1955 promovierte er an der Universität München. Nach der Promotion war er einige Jahre in der „Europäischen Föderalistischen Bewegung“ und als Dozent an der Akademie für Politische Bildung Tutzing tätig. Von 1963 bis 1967 war Heinrich Schneider Professor für Politikwissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Hannover. 1967 wurde er auf die „Lehrkanzel für Philosophie der Politik und Ideologiekritik“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien berufen.
Heinrich Schneider hat umfassend geforscht und publiziert. Seine Arbeiten wurden breit rezipiert und er bekam Einladungen zu Vorträgen und Gastaufenthalten aus zahlreichen Ländern. Er hat sich in vielen wissenschaftlichen Gremien engagiert. Neben Büchern und Aufsätzen zur Geschichte und Theorie des politischen Denkens und zur politischen Bildung war der wissenschaftliche Beitrag Heinrich Schneiders vor allem im Bereich der Sicherheits-, Verteidigungs- und Friedenspolitik und der Europapolitik bemerkenswert. Mit seinen Publikationen zur Entwicklung und Positionierung der Europäischen Union in den 1980er und 1990er Jahren trug er ganz wesentlich zum wissenschaftlichen und publizistischen Diskurs in jener Phase bei, als Österreich sich am Weg in die Europäische Union befand. Zwischen 1995 und 2001 lehrte und forschte Heinrich Schneider an der RWTH Aachen. Von 1973-2001 war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Direktoriums des Berliner Instituts für Europapolitik, anschließend ihr Ehrenvorsitzender sowie bis zuletzt im Herausgebergremium der Zeitschrift des Instituts “Integration“.
Heinrich Schneider war äußerst aktiv, politikwissenschaftliche Themen und seine hohe Kompetenz auch in Politikberatung umzusetzen. Er übernahm wichtige Positionen in der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE, später OSZE) – er war dort unter anderem stellvertretender Missionschef des Heiligen Stuhls - und im katholischen Bereich in Österreich: Heinrich Schneider war Mitglied der österreichischen bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden ("Iustitia et Pax") und Vorsitzender des Kuratoriums der Katholischen Sozialakademie Österreichs. Hervorzuheben ist hier auch sein Einsatz für Politische Bildung, so im Rahmen des Bundesministeriums für Landesverteidigung, in der er lange Zeit Vorsitzender der Wissenschaftskommission des BMLV war.
Für seine umfassenden Aktivitäten erhielt Heinrich Schneider viele Auszeichnungen, unter anderem die Europa-Union-Medaille in Gold mit dem Stern, das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und den Wilhelm-Hartel-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
In der Lehre und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war Heinrich Schneider überaus engagiert und hat ihr auch zeitlich eine hohe Priorität gegeben. Die engagierte Lehre, an die sich Studierende bis heute erinnern, und die hohe Zahl der von ihm betreuten Dissertationen und Diplomarbeiten sind deutliche Indikatoren, wie wichtig ihm dies war. Er legte großen Wert darauf, die Selbstständigkeit der Studierenden und Promovierenden in der Erarbeitung politikwissenschaftlicher Kompetenz anzuregen und zu unterstützen.
Das Institut für Politikwissenschaft trauert um Heinrich Schneider. Wir bewahren ihm ein dankbares und ehrendes Andenken. Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen.
Die MitarbeiterInnen des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien