Prof. em. Dr. Dieter Thomä (Universität St. Gallen) hält am22. Mai 2017 eine IPW-Lecture mit dem Titel Störenfriede: Zur Theorie und Geschichte eines politischen Problems von Thomas Hobbes bis Donald Trump.
Die Veranstaltung findet im Konferenzraum (NIG, 2. Stock) um 18:00 Uhr statt.
Abstract
Die moderne Gesellschaft lebt von der Spannung zwischen Ordnung und Störung. In der politischen Theorie spiegelt sich diese Spannung: Neben den Verfechtern von Ruhe und Ordnung (wie Thomas Hobbes und Leo Strauss) trifft man auf die Fürsprecher des Aufbruchs und des Aufstands (wie Karl Marx und Henry David Thoreau). Die Demokratie, die sich in der westlichen Welt durchgesetzt hat, kann man als Versuch verstehen, Ordnung und Störung zu versöhnen: Sie hält die Ordnung für Veränderung offen, will letztere aber in geordnete Bahnen lenken. Dieses Modell ist in der Krise, es ist Angriffen von allen Seiten ausgesetzt: Die Finanzkrise hat die Macht des Ego-Trips und die Schwäche politischer Institutionen demonstriert, der Terrorismus fordert die offene Gesellschaft heraus, der Populismus mobilisiert die Massen und hat einen Mann zum Präsidenten einer Demokratie werden lassen, der von einigen rechten und linken Kommentatoren für einen “Faschisten” gehalten wird. Es ist Zeit für eine Bestandsaufnahme und dafür, sich über Konformität und Dissens, Integration und Alterität, Glanz und Elend des Störenfrieds Gedanken zu machen. Um die aktuelle Lage zu verstehen, muss man einen langen Anlauf holen und auf den Gründervater der modernen politischen Theorie zurückgehen: auf Thomas Hobbes. Er hat sich mit einem Störenfried auseinandergesetzt – dem “Puer robustus”, dem kräftigen Knaben oder starken Kerl –, der heute vergessen ist, aber über Jahrhunderte hinweg die Theoretiker in Atem gehalten hat. An seiner Geschichte lässt sich die ganze Bandbreite von üblen und wohltuenden Störungen erfassen – und man kann daraus Lehren für die Gegenwart ziehen.