Nachrufe auf ao. Univ.Prof. Dr. phil. Roman Horak

Nachruf von Georg Spitaler und Otto Penz

Culture is a whole way of life

Wenn von der Einführung und Sichtbarmachung der Cultural Studies in Österreich die Rede ist, dann war Roman Horak der zentrale Protagonist. Sein Bemühen in den frühen 1990er Jahren zielte darauf ab, der konservativen deutschen Kulturwissenschaft eine gesellschaftskritische Theorie gegenüberzustellen, die Kultur als alle Aspekte des Lebens – also etwa auch Klassen- und Geschlechterverhältnisse – umfassenden Prozess begriff, wie es das berühmte Zitat von Raymond Williams in der Überschrift besagt. Viel Ruhm hat Roman Horak damit nicht geerntet, blieben die Cultural Studies in Österreich doch lange Zeit auf den außeruniversitären wissenschaftlichen Bereich beschränkt. Erst jene Wissenschaftler*innen, die das Wissen Roman Horaks weitertrugen, gewissermaßen in zweiter Generation, fanden allmählich ein Echo im traditionellen universitären Bereich. Letzten Endes mündete Horaks Vorhaben durchaus erfolgreich in die Institutionalisierung der Cultural Studies als akademische Disziplin.
1953 geboren, wuchs Roman Horak in der Marktgemeinde Orth an der Donau auf. Wie für viele seiner Generation wurde ihm die Pop- und Rockkultur der 1960er Jahre zu einem Tor zur Welt. In der demokratisierten Bildungsära der Kreisky-Jahre kam er zum Studium nach Wien, wurde Protagonist der studentischen Gegenkultur an der Universität. Ähnlich wie Raymond Williams, aus Wales stammende Gründerfigur der britischen Cultural Studies, dem sich Roman Horak in zahlreichen Arbeiten widmete, kannte er die Unterschiede von Stadt und Land und machte seine Sensibilität für kulturelle Codes und Brüche Zeit seines Lebens wissenschaftlich produktiv.
Genauso bezeichnend für das Leben von Roman Horak wie seine kritische wissenschaftliche Praxis war seine Leidenschaft für den Fußball, weniger als Aktiver, denn als treuer Fan von Rapid Wien, und nicht zuletzt seine Begeisterung für diesen Sport als popularkulturellen Forschungsgegenstand. Popularkultur bezeichnete in seinem Verständnis ein widersprüchliches Feld, auf dem potenziell politische Kämpfe ausgetragen werden, im Gegensatz zu „Populärkultur“, die diesen politischen Aspekt nicht per se beinhaltet. Bahnbrechend waren seine Studien an dem von ihm 1985 mitgegründeten Wiener Institut für Kulturstudien (IKUS) über Hooliganismus und jugendliche Fankultur. In diesen Fragen bestand eine enge Zusammenarbeit mit der University of Leicester, wo Roman Horak eine für ihn prägende Zeit verbrachte. Im Mutterland des Fußballs arbeitete er vor allem mit Eric Dunning, einem Schüler von Norbert Elias, zusammen, was Horaks Studien noch einmal besonderes Gewicht und internationales Ansehen verlieh. Darauf aufbauend etablierte sich in Wien eine im deutschsprachigen Raum lange Zeit ziemlich einzigartige kulturwissenschaftliche Fußballforschung.
Bücher wie der mit Wolfgang Reiter herausgegebene Sammelband „Die Kanten des runden Leders“ (1991) und das mit Wolfgang Maderthaner verfasste „Mehr als ein Spiel. Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne“ (1997) sind stilbildende Klassiker.
Roman Horaks wissenschaftliche Praxis beschränkte sich keineswegs auf den Sport. Das IKUS und seine Schriftenreihe der IKUS-Lectures waren, trotz des frühen Endes 1994, ganz allgemein zentrale Orte für die wissenschaftliche Popularisierung der Cultural Studies in Österreich. Das IKUS brachte Theoriedebatten und wichtige Akteure erstmals nach Wien. Einer von ihnen, der US-Kulturwissenschaftler Lawrence Grossberg, nannte Horak einen „Freund, Verbündeten und Kollegen“.
Roman Horaks Selbstverständnis als Wissenschaftler war engagiert, von Leidenschaft und Empathie für seine Forschungssubjekte getragen. Es ist bezeichnend, dass sich die Nachricht von Roman Horaks Tod am schnellsten unter Fans des SK Rapid verbreitete. Der „Fußballprofessor“ war eine geachtete Person im Stadion, eine Instanz, der die Ultra-Kultur in vielen Aspekten kritisierte, von den Fans jedoch als echter Experte, der den Fußball und seine Fans ernst nahm, geschätzt wurde.
Über die Jahre sei er müde geworden, sich „vom Verdikt des ‚Fußballforschers‘ zu distanzieren. Was soll’s“, schrieb Roman Horak 2019. Tatsächlich war er als kritischer Intellektueller und Politikwissenschaftler viel mehr als ein Fußballforscher, doch mit seiner Forschung zum Sport intervenierte er sehr erfolgreich in ein gesellschaftliches Feld, das viele Menschen erreicht.
Roman Horak, der sich 1998 am IPW habilitierte, war jahrzehntelang und bis in die jüngste Vergangenheit als Lehrbeauftragter am Institut tätig. Er unterrichtete am IPW und an der Universität für angewandte Kunst, wo er seit 2000 arbeitete und als Professor die Abteilung für Kulturwissenschaften leitete. Als Lehrender zeichnete er sich durch seinen menschlichen und humanistischen Geist aus, es gelang ihm, die Studierenden für seine Leidenschaft, die Cultural Studies, zu begeistern. Er wurde zum wichtigen Mentor und Freund vieler seiner Schüler*innen.
Roman Horak starb nach kurzer Krankheit, für viele überraschend, am 13. Februar 2025. Wir trauern um einen lieben Freund und hoch geschätzten Kollegen, dessen jugendlicher Geist uns sehr fehlen wird.

Otto Penz und Georg Spitaler

Nachruf von Andrei S. Markovits

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie meine enge, fast fünf Jahrzehnte andauernde Freundschaft mit Roman Horak begonnen hat. Ich erinnere mich, dass ich seine brillanten Artikel über verschiedenste Aspekte des Wiener Fußballs als Teil von Popularkultur las, die Roman so scharfsinnig studierte und über die er mit so feiner Nuance schrieb. Ich wurde damit beauftragt, seine Habilitation zu begutachten, was ich mit großer Freude und zu meiner intellektuellen Bereicherung tat. Ich fühlte mich sehr geehrt, als Roman mich bat, einen Artikel zu meinen Erfahrungen auf Wiener Fußballplätzen in den 1960er Jahren für ein Buch beizusteuern, das er anlässlich der Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz mit herausgab. Ich war auf seine Einladung hin Gastvortragender an der Universität für Angewandte Kunst, er hielt einen Vortrag in Harvard, als ich im Mai 1998 noch dort tätig war.
Schon bald nachdem wir uns kennen lernten, wurden wir von wissenschaftlichen Kollegen zu engen Freunden. Es gab keinen Wienbesuch – egal wie kurz mein Aufenthalt war – ohne dass ich mich mit Roman zu einem wunderbaren Gespräch traf, entweder im Café Prueckl (in der Nähe der Angewandten) oder im Café Landtmann. Zwei Themen beherrschten diese denkwürdigen Treffen, die ich als so bereichernd empfand: Fußball mit all seinen kulturellen Facetten auf und neben dem Platz, einschließlich unserer gegensätzlichen Positionen, er - Rapid; ich - Austria; er - Arsenal; ich - Manchester United; und Musik in ihren vielen Spielarten, aber vor allem die Giganten der 1960er Jahre, die Beatles, die Rolling Stones, Bob Dylan und zwei meiner Lieblingsbands, die sich auch als seine herausstellten: The Grateful Dead und The Band! Ich werde nie Romans spürbare Freude vergessen, als ich ihm zwei CDs schenkte, von denen er mir sagte, dass er sie täglich höre: „Jerry Garcia Plays Dylan“ und „Postcards of the Hanging: The Grateful Dead Perform the Songs of Bob Dylan“. Es ist fast unheimlich, dass sich unsere drei letzten E-Mail-Konversationen alle um diese Themen und Künstler drehten: Im Oktober 2024 korrespondierten wir über den kürzlichen Tod von Phil Lesh, dem legendären Bassisten der Dead, den Roman für ein unterschätztes musikalisches Genie hielt; zwischen Weihnachten und Neujahr tauschten wir uns über das neue Bob-Dylan-Biopic „A Complete Unknown“ aus, das ich zweimal gesehen hatte und auf das sich Roman sehr freute, wenn es im Februar in Wien anlaufen würde; und Ende Januar 2025 über den Tod von Garth Hudson, dem vielseitigen Multiinstrumentalisten von The Band. Roman antwortete mit einer kurzen Nachricht, die sich auf die fünf Mitglieder von The Band bezog: „Jetzt sind sie alle weg“. Es sollte die letzte Nachricht sein, die ich von Roman erhalten würde. Der Verlust von Roman geht sehr tief. Er ist unersetzlich! Ruhe in Frieden, mein lieber Freund Roman, möge Dein Andenken ein Segen sein!

Dr. (Dr. h.c.) Andrei S. Markovits
Karl W. Deutsch Collegiate Professor Emeritus for Comparative Politics and German Studies
University of Michigan, AnnArbor