Nachruf auf Prof. Dr. Irene Etzersdorfer

Mit großer Bestürzung haben wir von dem unerwarteten Ableben unserer geschätzten Kollegin Irene Etzersdorfer erfahren. Irene Etzersdorfer war seit 1994 als Lektorin am IPW tätig und habilitierte sich im Jahr 1997 an der Universität Wien mit der Schrift „Polis und Psyche. Eine Studie zur Interaktion von politischen und seelischen Faktoren anhand der ‚Political Leadership-Forschung’.“ Darüber hinaus lehrte sie an den Universitäten Graz und Innsbruck sowie der Donau-Universität in Krems. Ihre Lehr- und Forschungstätigkeit führte sie immer wieder als Gastprofessorin und Research Fellow an ausländische Universitäten, darunter an die Harvard University und das Franklin & Marshall College in den USA. Sie verfügte über dichte internationale wissenschaftliche Netzwerke.

In den vielen Jahren ihrer Lehrtätigkeit hat sich Irene Etzersdorfer vor allem mit Fragen der politischen Gewalt, Krieg und Kriegstheorien, ethnischen Konflikten, politischer Psychologie, Migration und Menschenrechten, Staatsbildung und –zerfall sowie mit Fragen der internationalen Konfliktlösung und der Rolle von internationalen Organisationen beschäftigt. In der Forschung – teilweise als Leiterin größerer Forschungsprojekte – legte sie ihren Schwerpunkt anfänglich auf Fragen von politischem Leadership und später auf Fragen von Krieg und Frieden. Unter ihren zahlreichen Publikationen ragen die Grundlagenwerke ‚Krieg: eine Einführung in die Theorie bewaffneter Konflikte‘ (2007), ‚Ethnische Konflikte im 20. Jahrhundert‘ (2010) und ‚Staat, Krieg und Schutzverantwortung‘ (2016, gem. mit Ralph Janik) hervor, die jeweils im utb-Verlag erschienen sind und bis heute eine breite Leserschaft finden.

Bei Generationen von Studierenden hinterließ Irene Etzersdorfer einen nachhaltigen Eindruck durch ihre Lehrveranstaltungen seit 1994 in den Bereichen Internationale Politik und Politische Theorie, die meist einen aktuellen Bezug aufwiesen und sehr gut besucht waren. Weiters betreute sie intensiv und sorgfältig Abschlussarbeiten von Diplom-, Master- und Dissertationsstudierenden. Beliebt und angesehen waren die von ihr organisierten Exkursionen in Länder wie den Libanon, den Iran, Jordanien, Syrien und Zypern, auf denen die Studierenden anschaulich die Auswirkungen politischer Konflikte und die Arbeitsweise politischer Institutionen erfahren konnten.

Irene Etzersdorfer wirkte auch über den akademischen Bereich hinaus. Sie engagierte sich in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, war Ausstellungskuratorin, Mitglied in der Menschenrechtskommission des Bundesministeriums für Inneres sowie Mitarbeiterin des ORF, wo sie Sachbuchbesprechungen für den Radiosender Ö1 verfasste.

Irene Etzersdorfer hinterlässt eine große Lücke in der österreichischen akademischen Landschaft. Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie und ihren Freundinnen und Freunden.

Ulrich Brand und Josef Melchior
Leiter des Instituts für Politikwissenschaft bzw. Studienprogrammleiter Politikwissenschaft, Universität Wien

In tiefer Trauer und im Namen der Mitglieder des Instituts für Politikwissenschaft
und ihrer zahlreichen (ehemaligen) Studierenden